Aktuelle Predigt

Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten. (Eph 5,14)

Süßer die Glocken nie klingen… Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Schwestern und Brüder, aber für mich ist das schönste Gebimmel nicht das Kling-Glöckchen-Klingelingeling am Heiligen Abend. Das schönste Gebimmel ist das der Osterglocken. Es durchbricht drei Tage des Schweigens, zerreißt die Todesstille, die über Karfreitag und Karsamstag gelegen hat. Vier Glocken, 1 ½ Tonnen Metall, setzen sich über uns in Bewegung, 1½ Tonnen, die nicht zu Waffen eingeschmolzen werden, sondern die zur Ehre Gottes läuten und für den Frieden auf Erden, die jeden Sonntag, also jedes Klein-Ostern, verkünden: „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Ostern beginnt mit einem Ausbruch. Und damit hatte keiner gerechnet, denn die römischen Wachen behielten argwöhnisch die Umgebung im Auge, überprüften jeden Menschen, der sich dem ordentlich verschlossenen Grab näherte, taten alles, damit diese Bande des Nazareners am Ende nicht noch seine Leiche klaut. Und dann kommt ein Engel als Ausbruchshelfer, rollt den Stein weg, knackt das Grabessiegel und plötzlich ist der Mensch seines Todes nicht mehr sicher. Christ ist erstanden. Die alten Ordnungen gelten nicht mehr, in der das Leben halt so ist wie es ist. Und der Tod auch. Und die Osterglocken erklingen, um das neue Leben zu begrüßen.

Furchtbar, dachten die Wachen am Grab und erbebten. Wie tot fielen sie nieder, erzählt die Bibel. Und der, der wirklich tot war, steht auf, verlässt den Friedhof, haut einfach ab. Und die Todesmacht Roms ist machtlos. Was soll sie auch schon groß sagen: liegenbleiben oder ich schieße?! Seitdem nagt das Leben am Tod und nicht um-gekehrt. Unsere Fesseln setzen Rost an und die Nachricht vom Ausbruch setzt sich in den Köpfen fest: Wenn da wirklich einer aus einem Grab getürmt ist, warum sind wir dann eigentlich noch nicht frei? Warum mauern wir uns hinter Lügen, Fassaden und Ängsten ein? Warum probieren wir nicht mal, die Klinke zu drücken? Vielleicht ist ja schon lange offen. Vielleicht reicht unser Leben ja wirklich weiter als von hier bis zur Wand. Ostern ist das Schlüsselerlebnis. Türen öffnen sich. Und die Osterglocken läuten zur Begrüßung.

Es gibt Glocken, die sind extra nur für Ostern da. Die sind ganz tief und laut, die hauen einen wirklich aus dem Bett, wenn sie frühmorgens um 6 Uhr zu dröhnen beginnen. Oft sind sie so groß, dass sie nur ganz selten geläutet werden dürfen, eben an Ostern, damit der Kirchturm nicht einstürzt. Mit ihnen wird das Sonntagsgeläut noch einmal ums Doppelte verstärkt. Damit wir tauben Leute es auch wirklich begreifen, was da passiert ist am Ostermorgen: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Das verkünden die Osterglocken, und ihre Botschaft ist so atemberaubend und so schön, dass wir sogar eine Blume nach ihnen benannt haben.

Wer schon einmal in Frankreich Ostern gefeiert hat, weiß: Bei unseren Nachbarn bringt die Eier nicht der Osterhase, sondern die Kirchenglocken. Wir lesen ja immer wieder in den Nachrichten, dass unsere französischen Brüder und Schwestern gern auf ihre Arbeitszeit achten. Nach Gründonnerstag, so glaubt der Franzose an sich, fliegen die Kirchenglocken weg. Nach Rom. Und dann fliegen sie Ostersonntag aus Italien wieder zurück, verlieren auf dem Weg Schokoladeneier, und dann nach drei Ruhetagen legen sie sich zur Ehre des Auferstandenen als Osterglocken so richtig ins Zeug.

Apropos Arbeitszeit und Frankreich: Auch der Glöckner von Notre Dame arbeitet schon seit vielen Jahren nur von Montag bis Donnerstag, also quasi Mo Do… Heiliger Bimbam! Die Glocken, das ist wie ein Weckerklingeln: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten. Wach auf. Steh auf.
In Preußen gab es einmal einen Pfarrer, der nicht an die Auferstehung glaubte. Seine Gemeinde beschwerte sich bei Friedrich dem Großen. Der Alte Fritz beließ den Pfarrer im Amt mit den Worten: „Der Pfarrer bleibt. Wenn er am Jüngsten Gericht nicht mit auferstehen will, kann er ruhig liegen bleiben.“

Natürlich haben wir die Wahl. Wir können diverse Kopfkissen über unsere Ohren ziehen, Kopfkissen, die sooo gemütlich sind, unter denen wir nicht zuständig sind, unter denen wir uns in uns selbst zusammenrollen in unserem Gefängnis, schalldicht für die Botschaft: Christus will dein Licht sein! Bleib nicht im Todesdunkel, Christi Auferstehung hängt es an die große Glocke: Das Leben ist mehr als ein paar Jahre zwischen Wiege und Bahre, das Leben ist mehr als Soll und Haben, das Leben ist mehr als mein Haus, mein Auto, mein Pferd. Wir sind frei genug, auszubrechen, die Biege zu machen und umzukehren zu einem Leben, das nicht vom Urteil anderer abhängt, das nicht beschwert ist von dem, was wir alles zu haben meinen müssen. Nichts soll dich gefangen nehmen, wird der Apostel Paulus ein paar Jahre später nach seinem eigenen Schlüsselerlebnis zu Damaskus schreiben. Nichts soll dich gefangen nehmen, denn du gehörst einem Gott, der schon vor Jahrtausenden einem ganzen Volk beim Ausbruch half. Du gehörst dem Gott der Freiheit.

Palim, palim, machen darum die Osterglocken… Wach auf, die du schläfst. Das Leben ist nichts anderes als eine Frage von Beziehungen. Unter deinem Kopfkissen findest du niemanden, nicht einmal dich selbst. Wach auf. Steh auf. Schau auf die Menschen, sieh nach ihnen, sieh ihnen auch manches nach, wenn sie sich verletzen. Er-stick nicht im eigenen Mief der Selbstgerechtigkeit unter deinem Kissen.

Palim, palim… Wach auf, der du schläfst. Das Leben ist nichts anderes als eine Frage von Beziehungen. Keine Frage der Ehre oder der Gewinnmaximierung. Wach auf. Steh auf. Und bleib doch bitte stehen. Verrenne dich nicht in Todeshetze, steh denen bei, die nicht allein auf die Beine kommen, steh zu ihnen, stehe für sie ein.

Palim, palim… Wach auf, der du schläfst. Christus ist das Vitamin B, das der Tod ums Verrecken nicht vertragen kann. Wach auf, steh auf. Guck nicht so todesängstlich aus der Bettwäsche. Das Leben ist nichts anderes als eine Frage von Beziehungen. Und diese Beziehungen sind unsterblich, seitdem der Erste aufstand und dem Tod sein Stündlein geschlagen hat. Beziehungen sind unsterblich. Auch mit denen, die uns vorangegangen sind, die nicht festgemauert in der Friedhofserde liegen, sondern in Gott neues, ewiges Leben haben.

Palim, palim, steh auf. Und wenn du ausrutschst, steh wieder auf und wieder. Und wieder. Und wieder. Das Hinfallen wird nicht bis in Ewigkeit weitergehen, Gott lässt dich nicht liegen. Er richtet dich, das heißt: richtet dich auf und sagt: Fang doch endlich an zu osterlachen. Christ ist erstanden. Es ist nicht mehr alles todernst. Du wirst leben, auch wenn du stirbst.

Und wenn du dir noch nicht den großen Ausbruch zutraust, dann brich wenigstens schon mal ins Lachen aus, ins Osterlachen. Denn wer ins Lachen ausbrechen kann, gewinnt einen neuen Blick auf die Wände rundherum. Todesschweigen muss nicht sein. Die Mauern zwischen dir und den anderen auch nicht oder die Furcht, nichts in dieser Welt zu taugen, weil du zu klein, zu dumm, zu hässlich, zu arm bist. All das ist im Grunde genommen zum Lachen, denn du bist mit einer Liebe geliebt, die Gräber knacken kann. Nimm dich nicht zu ernst. Du wirst schon nicht dran sterben. Du wirst dich schon nicht totlachen, sondern lebendig.

Das alles und noch mehr erzählen die Osterglocken. Heiliger Bimbam! Ewig währt am längsten. Und Leben währt ewig. Diese Predigt nicht. Darum zum Schluss noch einmal zum Thema Glocken und Ausrutschen: Wie nennt man ein Lama, das auf Margarine ausrutscht und gegen eine Glocke knallt? „Ramalamadingdong“. Amen. 
 

 

- Jan Freiwald, 20.4.25