Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Denn Jesaja sagt (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais und wird groß werden, um zu herrschen über die Völker; auf ihn werden sie ihre Hoffnung setzen." Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes. (Röm 15, 4-6.12-13)
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Nur Geduld…..
Ich fang schon gleich an…
Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht ….
Geduld ist super. Finden Sie nicht? …..
Wir leben in so stressigen Zeiten, ein besinnliches Beisammensein jagt das nächste…
Da ist es doch mal gut, sich in Ruhe und Gelassenheit zu üben…
Können ja nicht alle…
Aber man muss auch mal geduldig abwarten können …
Merken Sie, wie wir hier in der Kirche gerade alle zur Ruhe kommen? Die ersten scrollen sich unter der Bank schon vor lauter Langeweile durch instagram… Geduld…
Geduld kann man ja auch von Kindern lernen. Sagen Sie mal so einen Satz wie: „Maximilian, bring bitte jetzt sofort den Müll raus und gleich danach räumst dein Zimmer auf!“ Da heißt es dann Geduld haben…
In der Ruhe liegt die Kraft. Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Gut Ding will Weile haben. Also nur Geduld. Nicht immer gleich was entscheiden, machen, sondern abwarten, Tee trinken, Netflix gucken…
Auch wenn wir gerade unser ganzes Leben verpassen, auch wenn eine Gelegenheit nach der anderen vorüberrauscht, auch wenn wir wissen, dass das, was ist, schon viel zu lange unerträglich ist. Nur nicht Ziehen und Zerren.
Advent, das ist die Zeit des Wartens. So sind wir Christenmenschen halt, immer mit einem geduldigen Lächeln auf den Lippen, immer duldend, immer duldsam…
Vielleicht haben Sie in den letzten Tagen die Weltklimakonferenz in Brasilien mit-verfolgt. Da mussten die Delegierten auch viel Geduld haben. Harte Beratungen bis tief in die Nacht, weil immer irgend eine Nation ausgeschert ist und gebremst hat: Kohleausstieg? Na, das hat Zeit. Das Klima retten? Ja. Nö. Machen wir doch. Aber nicht jetzt. Nur Geduld!
Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht.
Im Griechischen heißt es in unserem Text da, wo Geduld steht, makrothymia. Makro heißt groß - wie bei den Fotoobjektiven, Thymia so etwas wie Zorn, Mut oder Lebenskraft. Und, zack, ist die ganze kuschelige „Wir-warten-geduldig-aufs-Christkind-Adventsstimmung“ perdu. Makrothymia, großer Zorn, großer Mut, große Lebenskraft. Das wird uns heute am ersten Advent gesagt: Habt großen Zorn, großen Mut und große Lebenskraft. Das alles zusammen ergibt Geduld, und Gott schenkt das alles, weil er auch ein Gott der Geduld ist, wie es heißt. Und des Trostes.
Wenn ich das mal unter uns sagen darf, wissen Sie, was mich am lieben Gott ein klein wenig stört? Ich hoffe, er nimmt es mir nicht übel: dass er so geduldig ist. Dass er nichts macht, wenn Kinder verhungern, Menschen in die Luft gesprengt oder Länder überfallen werden. Als Paulus seinen Brief an die Römer schrieb, gingen alle davon aus, dass in wenigen Jahren der Messias käme und dass dann die ganze Welt neu wäre, ohne Hunger, ohne Terror, ohne Krieg. Das ist jetzt zweitausend Jahre her. Und – vielleicht ist das jetzt ein bisschen ungeduldig, aber man wird doch mal fragen dürfen: Könnten wir das mit Friede auf Erden jetzt nicht endlich mal ein bisschen beschleunigen? Eine Frage, die so alt ist wie das Neue Testament. Die allerletzten Worte dort, geschrieben in Zeiten von blutigen Christenverfolgungen, heißen: Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald. – Amen, komm, Herr Jesus! Herr, komm bald!
So endet die Bibel. Herr, komm! Maranatha heißt das im Aramäischen, ein uralter Gebetsruf, so alt wie die Christenheit. Maranatha, lass nicht länger auf dich warten, lass dich nicht aufhalten, sei nicht immer so geduldig mit der Welt. Okay, mit mir persönlich schon, aber nicht mit dem Rest der Welt. Mit meinem persönlichen Gericht hat’s keine Eile, aber wenn du dich mal eben kurz der Kriegstreiber und Terroristen annehmen könntest? Vielen Dank!
Gott lässt auf sich warten. Manche sagen zu lange. Ich auch. Maranatha! Manche sagen, dann war das wohl nichts mit der Hoffnung auf den Heiland. Ich nicht. Ich war-te ungeduldig, aber ich warte.
Maranatha! Herr, komm. Ohne diese Hoffnung, dass Gott kommt, dass das endlich noch mal was wird mit Friede auf Erden, müsste ich nicht mehr warten, wäre mein Leben ohne Fenster mit Aussicht, würde ich an dem verzweifeln, was ist, oder mich in meinem Drang, eben mal die Welt ganz allein zu retten, gnadenlos verheben. Oder ich würde mit geschlossenen Augen in Duldungsstarre vor Netflix verfallen und mich einen Dreck um den Rest der Welt scheren. Schöne Alternativen, die aber allesamt weit verbreitet sind: Verzweifeln, sich hoffnungslos übernehmen oder in Gleichgültigkeit verfallen.
Darum ist es gut, dass wir das heute, am ersten Advent, hören wie alle Jahre wieder, denn ein Jahr ist lang und wir sind ja so vergesslich: Gott kommt! Da können wir gar nichts dagegen machen. Und auch nichts dafür. Das ist so sicher, wie Weihnachten auf den Advent folgt. Im Grunde bilden wir das mit unserer Abfolge des Kirchenjahres ja immer wieder ab, jedes Jahr: Auf die Zeit der Geduld und des Wartens kommt die Zeit der Erfüllung. Es kommt der Herr der Herrlichkeit. Ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt. Es wird passieren.
Das müssen wir erstmal sacken lassen.
Und dann, aber erst dann, können wir fragen: Und welche Rolle spielen wir dabei? An anderer Stelle in der Bibel heißt es ja: Bereitet dem Herrn den Weg. Und wie bereitet man dem Herrn den Weg? Paulus sagt: Mit Geduld. Und dass wir einträchtig untereinander sind. Geduld aber ist Makrothymia. Großer Zorn, großer Mut, große Lebenskraft, das ist Geduld, die aus der Hoffnung kommt. „Die Hoffnung hat zwei schöne Töchter; schrieb Kirchenvater Augustinus vor 1600 Jahren, „ihre Namen sind Wut und Tapferkeit. Wut darüber, wie die Dinge sind und Tapferkeit, darauf zu sehen, dass sie nicht so bleiben.“ Die Hoffnung hat zwei schöne Töchter; ihre Namen sind Wut und Tapferkeit. Wut oder Zorn darüber, wie die Dinge sind und Tapferkeit, darauf zu sehen, dass sie nicht so bleiben.
Christliche Geduld wartet also nicht tatenlos. Christliche Hoffnung vertröstet nicht aufs süße Jenseits. Beide machen. Wut und Mut… Vielleicht ungewöhnliche Tugenden im Blick auf Weihnachten, das der Liebe. Bitte nicht falsch verstehen: Ich meine nicht, dass Sie sich am 24.12. unterm Baum tapfer die Köpfe einschlagen sollen. Doch manchmal kann Wut die kleine Schwester der Liebe sein, wenn sie auf das zielt, was im Argen liegt, und es dem anderen dann auch zumutet. Die schöne Tochter Wut wäre ohne ihre Mutter Hoffnung ein hässliches Monster. Wir sehen es allerorten in den Hasskommentaren, in der Häme und der Hetze in den sozialen Medien. Doch die schöne Tochter Wut verteidigt auch des Menschen Herz gegen Apathie und Lebenslügen. Ein Herz, dass sich aufregen kann, schlägt noch. Aber wer auf Gott wartet, sieht ein, dass er selbst nicht alles stemmen kann. Das schützt unsere Wut, unseren Mut vor Selbstgerechtigkeit.
Die Bibel erzählt, dass Jesus einmal stinksauer wurde, als er sah, dass seine Jünger die Frauen wegdrängen wollten, die mit ihren Kindern zu ihm kamen. Wenn unser Herr Jesus wütend werden durfte, dann dürfen wir das doch sicher auch. Schluckt also eure Wut nicht runter, in ihr steckt ganz viel Kraft. Habt den Mut zu beginnen, das zu ändern, was euch wütend macht. Und verliert dabei die Hoffnung nicht, dass es gut wird. Sonst wird’s hässlich unterm Baum und auf dem Rest der Welt. Gott kommt. Don’t stop him now. Ich wünsche euch einen wunderschönen Advent! Amen.
- Jan Freiwald, 30.11.25
